In der Tanzschule Finck lernten sich Renate Hilgert und Max-Ulrich Busch 1969 im Anfängerkurs kennen. Ein Jahr später begannen beide mit dem Turniertanzsport. Bereits 1972 erreichten sie die höchste Klasse des Deutschen Tanzsportverbandes und ertanzten sich seitdem zahlreiche Meistertitel: Insgesamt 15 Deutsche Meistertitel in den Disziplinen Standard-, Lateinamerikanische- bzw.10-Tänze seit 1976. Europa- und 3-fache Weltmeister (10-Tänze World-Cup) 1979-1981, Europa- und Weltmeister in den Standardtänzen 1981 bzw. 1982. Ihr persönlich größter Erfolg war der Gewinn der Open British Championships in Blackpool 1982. Danach wechselten die Sportlehrerin und der Arzt ins Profilager. Bereits im Herbst des gleichen Jahres wurden Busch / Hilgert Deutsche Vizemeister in den Standardtänzen.
1985 und 1986 gewannen sie die Deutsche Profimeisterschaft und waren seitdem in allen internationalen Endausscheidungen vertreten. 1985 3.Platz bei den Europameisterschaften der Profis, 1987 4.Platz bei der Weltmeisterschaft. Im Herbst 1986 wurde ihnen vom ZDF/ADTV/DTV-Verleihungskommitee der Goldene Tanzschuh überreicht. In ihrer Zeit als Top-Paar der Amateure bzw. der Professionals wurden Busch / Hilgert durch ihre zahlreichen Turnier- und Schautanzauftritte bei Bällen, Veranstaltungen und im Fernsehen weltweit bekannt. 1989 hängten beide ihre Tanzschuhe an den berühmten Nagel und widmen sich seither dem Training von Turnierpaaren und der im gleichen Jahr übernommenen Tanzschule in Berlin. Ihr Betätigungsfeld erstreckt sich auf Tanzsportseminare in ganz Deutschland, Vorträge und Lehrgänge bei nationalen und internationalen Fachkongressen, sowie auf die Wertungsrichterfunktion bei Tanzturnieren im In- und Ausland.
Die D-Klasse platzte in Berlin aus allen Nähten, Paare , wenn sie denn gut waren, konnten in kurzer Zeit von einer in die nächste Klasse aufsteigen, flexible Aufstiegslimits gab es noch nicht, der Turnierbetrieb drohte zur Massenabfertigung zu werden – Zustände, von denen heute jeder Landesverband träumen würde. Aber im Herbst 1969 war es nur die logische Konsequenz, dass der VBCA (später LTV Berlin) eine weitere, sog. Einstiegsklasse mit reduzierter Anzahl von Tänzen ein-führte, die E-Klasse. Die Paare bekamen eine Start-Karte und wer 5 mal ein Turnier über 3 Tänze gewann musste in die D-Klasse wechseln. Doch der Reihe nach:
In den Anfänger-Kursen der Tanzschule Finck machten "Renate und Max" ihre ersten Tanzschritte - sie, weil sie schon immer gerne tanzen wollte, er, weil er in der Tanzschule "Benimm" lernen sollte - und fingen Feuer in Sachen Tanzen. Heinz-Georg und Gudrun Finck hatten uns früh ins Visier und unter ihre Fittiche genommen (...da kann man was d'raus machen!) und seit der 3.Kursstufe (damals Spezial-Kurs genannt) tanzten wir zusammen. Unsere ersten "Turniererfahrungen" sammelten wir bei den "Gäste" Turnieren der TS Finck, und nun hieß es also wir sollen in der E-Klasse tanzen: kaum dass wir unsere ersten Starts für den Ahorn-Club hinter uns hatten mussten wir schon in die D-Klasse, und nach weiteren 7 Monaten hatten wir den Aufstieg in die C- und bald die B-Klasse geschafft. In diesem D-Zug Tempo ging es in die A-Klasse, in der wir uns erstmals für die Deutsche Meisterschaft 72 in Bremen qualifizierten. Mit der den Berlinern oft nachgesagten Frechheit mussten wir die Wertungsrichter dort ziemlich beeindruckt haben – gegen im Vorfeld haushoch gehandelte Favoriten setzten wir uns durch, gewannen das Turnier und fanden uns flugs in der S-Klasse wieder. In weniger als 3 Jahren hatten wir die unteren Klassen des DTV im Sauseschritt durchquert und qualifizierten uns eine Woche später bei der Berliner Meisterschaft auch noch für die DM der S-Klasse in Hoechst.
Viele dachten, dass es in diesem Tempo nun weitergehen würde, und als im Jahr darauf bei der nächsten DM "nur" der gleiche 18. Platz herauskam, fragte der DTV-Sportwart Harald Harms besorgt beim LTV-Vositzenden Klaus Koch nach, ob wir denn etwa die Lust verloren hätten... Der Mann konnte beruhigt werden mit dem Hinweis, dass Max inzwischen sein Medizin-Physikum gemacht hatte, und spätestens im Jahr darauf war dann auch seine Welt wieder in Ordnung: 3.Platz bei der Standard-DM 74.
Zu dieser Zeit gab es im DTV zwar viele Einladungsturniere der S-Klasse, aber so gut wie keine offenen Turniere. Um überhaupt tanzen zu können mussten wir als "no-name" die veranstaltenden Clubs zunächst fast um Einladungen anbetteln. Die wenigen offenen Turniere waren über ganz Deutschland verteilt, Parforce-Touren am Wochenende über Deutschlands Autobahnen (Berlin-München-Frankfurt-Berlin im VW Käfer) waren an der Tagesordnung. Wo immer wir auftauchten mischten wir die "etablierten" Paare auf und brachten die Ranglisten gehörig durcheinander. Mancher Funktionär in der DTV Spitze kann noch heute ein Lied davon singen... Zwischenzeitlich hatte ein Beschluss des Sportausschuss-DTV uns auch in der LA-Disziplin die Startberechtigung in der S-Klasse ermöglicht (bei nur drei Paaren in der B-Klasse Latein hätten wir vermutlich Jahre für einen Aufstieg gebraucht) – unsere erste Latein-DM in Münster beendeten wir prompt mit einem 8.Platz. Renates Sportstudium brachte es zwangsläufig mit sich, dass wir uns früher als andere mit nicht sportartspezifischen Trainingsmethoden befassten, wie z.B. Konditionstraining und anderen Ausgleichssportarten. Eine Anekdote von der DM-Latein 75 in Köln: Am Morgen der DM wurden wir in der Hotelhalle von anderen Paaren ungläubig wie Aliens beäugt, als wir uns zu unserem täglichen Waldlauf im Kölner Stadtpark aufmachten – abends im Ballsaal des "Gürzenich" änderte sich dann die Perspektive etwas: "Die große Überraschung war der zweite Platz eines jungen Paares aus Berlin, das nur über den Hoffnungslauf unter die 36 zugelassenen Paare gekommen war...Wo haben wir dieses Extrem schon einmal erlebt?" (Tanzspiegel / Bundestrainer Wolfgang Opitz). Mit diesem "Vize" begann unsere internationale Laufbahn, denn wir wurden 10 Tage später zur Weltmeisterschaft Latein in die Royal Albert Hall in London geschickt. Als wir hier auf einmal im Finale alle Tänze hintereinander – also ohne offene Wertung zwischendurch – und dann auch noch in voller Musikstücklänge tanzen sollten, waren wir heilfroh über jede absolvierte Trainingseinheit "Waldlauf": bestes deutsches Paar und 4.Platz.
Unser Trainer Heinz-Georg Finck stellte erste Kontakte zu englischen Trainern her, zu denen wir in den Semesterferien nach London fuhren. Jede Mark steckten wir in unser Tanzen, wir wohnten in viertklassigen Hotels über der Londoner U-Bahn, die jedesmal durch unser Zimmer zu rumpeln schien, sparten ein paar Pence indem wir selbst bei strömendem Regen einige U-Bahn Stationen zu Fuß gingen und ernährten uns von pappigem Weißbrot mit gesalzener Margarine und Käse. Das Festessen zu Renates Geburtstag in einem Steak House in der Nähe der Oxford Street geriet zur mittleren Enttäuschung, weil sich das bestellte "Gammon-Steak" (besonders preis-günstig...) als besserer Leberkäs entpuppte...
Auf dem Parkett ging es weiter voran: 1976 gelang uns der noch nie dagewesene Hattrick indem wir alle drei Deutschen Meisterschaften (Latein, Kombination und Standard) gewannen. Inzwischen hatten wir gelernt, dass für unser Tanzen auch und vor allen Dingen Turniere in England wichtig waren. Der erste Auslandsstart in Blackpool drohte zunächst an der Genehmigungsbürokratie zu scheitern. Erst durch energisches Nachhaken von Heinz Georg Finck war dem Sportwart Harald Harms das Placet abzuringen. Und als wir dann endlich auf der Autobahn Richtung England unterwegs waren, setzte die geplatzte Dichtung des Ölfilters unserer Fahrt ein jähes Ende. Immerhin hatten wir es bis zur Ausfahrt Brandenburg geschafft... Die Vopos hielten einen x-beliebigen Transitreisenden an und ließen uns zurück nach Berlin schleppen – aus der Traum vom Turnier im fernen Blackpool! Nur der Unterstützung des LTV- und LSB-Berlin war es zu verdanken, dass wir einen Tag später per Flieger doch noch nach Blackpool reisen konnten. Es begann der lange Weg über viele englische Turniere auf der Leiter der Rangliste nach oben, aber mit der Zeit durfte Renate immer öfter mit dem damals üblichen Tüllrock (bis zu 50 Meter Tüll wurden verarbeitet) die Enge auf dem "Treppchen" genießen. Längst war Renate dazu übergegangen, ihre Kleider selbst zu nähen, der vollgestopfte Terminkalender besonders der internationalen Turniere verlangte eben nach immer neuen Kreationen und nur durch Eigenarbeit konnte unsere "Turnier- und Trainingskasse" vor dem Zustand der absoluten Ebbe bewahrt werden.
Inzwischen hatte die Deutsche Sporthilfe den Tanzsport entdeckt und uns aufgrund der Erfolge bei Welt- und Europameisterschaften in ihren Förder-Kader aufgenommen. In Berlin und bald bundesweit war die Presse auf unsere Turnierergebnisse aufmerksam geworden, und dank der emsigen Öffentlichkeitsarbeit von Heinz-Ulrich Johannsmann (seinerzeit Presse Beauftragter des LTV Berlin) und mancher Fernsehübertragung stieg unser Bekanntheitsgrad rapide an. An den Kontrollpunkten der Transitstrecken durch die DDR waren wir inzwischen so bekannt, dass uns schon die Grenzpolizisten nach dem Ergebnis des am Abend zuvor getanzten Turniers fragten. Zugegeben, Turnierkleid, Urkunden und Blumen sichtbar im Auto drapiert halfen etwas dabei, das Procedere der Grenzkontrollen zu verkürzen...
Über all die Jahre hatten wir als großes Ziel vor Augen, vielleicht doch einmal als deutsches Paar einen Weltmeistertitel in den Standardtänzen zu ertanzen. Dass dabei unzählige nationale Titel in allen Disziplinen und der dreimalige World Cup Gewinn (damals die WM 10-Tänze) herauskamen, hat verständlicherweise so manches Paar genervt ("wann hören die denn endlich auf, wir wollen auch mal 'rankommen...?") - auf nationaler Ebene beherrschten wir die Konkurrenz über viele Jahre. Ein uns vollkommen unbekannter Turnier-Besucher brachte es einmal auf den Punkt als er uns nach der DM 10-Tänze 1980 eine vo ihm angefertigte Kollage von 2 Schmetterlingen überreichte mit dem Titel: "Allen davonfliegen – ein Sieg, der in Juwelen gefasst werden sollte"...
Unsere Entscheidung den Weg über England zu gehen und uns dort in der Höhle des Löwen behaupten zu wollen, hatte hierzulande auch mancher Funktionär nicht verstanden. Aber irgendwie haben wir uns nicht beirren lassen, haben immer wieder von neuem Anlauf genommen und im Inneren gewusst, dass unsere Chance kommen würde. Und sie kam: Im September 81 wurden wir in Aarhus (DK) Europameister in den Standardtänzen. Ein großes Kontingent Ahorn Club-Schlachtenbummler war angereist, und als diese am Rande der Tanzfläche jubelnd ihre Berliner Fähnchen im Takt schwenkten und frenetischen Applaus spendeten, geriet der Wiener Walzer im Finale zum wohl längsten Turniertanz unserer Laufbahn – der Orchester Chef ließ sich von dem bunt-bewegten Bild derart ablenken, dass er schlichtweg das Zeitlimit vergaß und immer wieder noch einen Chorus spielte... Das Jahr 1982 sollte "unser Jahr" werden: Im Januar gewannen wir in London die UK Championships, eine für uns wichtige Weichenstellung. Am 13. Februar fand in der wieder eröffneten "Alten Oper" in Frankfurt die Weltmeisterschaft statt, im Vorfeld wurden wir in Fachkreisen als heiße Titelanwärter gehandelt und auch die Presse hatte uns zu den Favoriten gestempelt ("...die schaffen es diesmal, sie sind prächtig in Form", BZ). Der Archivar des DTV, Hans Joachim Schäfer, schrieb im Veranstaltungsprogramm einen Rückblick der seit 1960 stattfindenden Weltmeisterschaften und schloss mit dem Satz "Der DTV wünscht seinem Meisterpaar Busch / Hilgert verständlicherweise den Sieg. Möge jedenfalls der Beste gewinnen und die anderen es ertragen!" Und so kam es dann: Vor ausverkauftem Haus, vielen Schlachtenbummlern aus Berlin und laufenden Fernsehkameras gewannen wir alle 5 Tänze mit fast allen Einsen! Auf dem Treppchen ganz oben, Nationalhymmne und Tränen des Glücks... Die Schlagzeilen der Presse überschlugen sich förmlich: "Berlins Traumpaar die Nr. 1" (BZ), "Zwei Deutsche tanzten auf den Standard-Thron" (Frankfurter Abendpost), "Beim 4. Anlauf klappte es endlich – Weltmeister" (Berliner Morgenpost), der Tanzspiegel hielt es mit Schiller: "Seid umschlungen Millionen – Freude schöner Götterfunken" und selbst die eher konservativ-zurückhaltende FAZ jubelte und schrieb: "Der Saal erdröhnte unter den Ovationen der dichtgedrängt stehenden Zuschauer. Denn: ein deutsches Paar auf dem Standard-Thron, das hatte es noch nicht gegeben..."
Um unserem eigenen Anspruch auf Vollständigkeit des Erfolges gerecht zu werden fehlte uns nun nur noch ein Sieg in Blackpool. DTV Sportwart Harald Harms verweigerte uns diesmal zwar nicht die Startgenehmigung, erklärte uns aber gleichwohl für verrückt, dass wir uns einem nur aus Engländern bestehenden Wertungsgericht stellen wollten. Uns vom Start abzuhalten versuchte er bis unmittelbar vor dem Turnier – wir ließen uns aber auch diesmal nicht beirren und konnten am Ende im "Mekka des Tanzsports" überglücklich die heißbegehrte Trophäe der "British Open Championships" in Empfang nehmen – 7 Jahre nach jener Autopanne bei Brandenburg war damit erstmals der Titel aus dem Mutterland des Tanzsports nach Deutschland entführt worden. Über viele Jahre hatten wir nun im In- und Ausland unzählige Turniere getanzt, haben dabei den Olymp des Tanzsports erklimmen dürfen aber auch manche Niederlage eingesteckt. Wir waren von der Deutschen Sporthilfe, dem Landes-sportbund Berlin und dem LTV Berlin gefördert worden und viele Menschen hatten uns in jeweils unterschiedlicher Funktion den Rücken gestärkt, ja haben uns oftmals im Verborgenen auch den Rücken frei gehalten. Und so konnten wir uns weitgehend ungestört auf unser großes Ziel konzentrieren, ganz nach oben zu kommen. Vielleicht lag es an dieser Zielstrebigkeit, dem unbeirrten unseren eigenen Weg gehen, dass uns erst einige Zeit später klar geworden ist, wie viele Menschen mit uns gefiebert und gebangt haben, und was unser Tanzen und unsere Erfolge ihnen bedeutet haben. Nachdem wir im Amateurlager alles erreicht hatten was zu erreichen war, ergab sich für uns daraus die logische Konsequenz, ins Profilager zu wechseln, und dies nicht um jetzt die "Tellerwäscher Millionen" zu verdienen, sondern ganz einfach weil wir es als Verpflichtung ansahen, unser Wissen, das wir durch vielfache Förderung erwerben durften, an den Nachwuchs weiterzugeben. Und so machten wir die Trainer- und Wertungsrichterausbildung und erleben heute die Welt des Tanzsports von der anderen Seite des Zauns. Und der Kreis schließt sich auch auf anderer Ebene: Von Heinz-Georg und Gudrun Finck übernahmen wir die Tanzschule, in der wir einst unsere ersten Schritte machten, und so wie sie halten nun wir unsererseits Ausschau nach Talenten, die bei entsprechender Förderung und Fleiss eines Tages vielleicht sagen können: "Von der E-Klasse zum Weltmeister".
Max-Ulrich Busch